URBACT III „Second Chance – Waking up the Sleeping Giants“
URBACT ist ein europäisches Programm für nachhaltige, integrierte Stadtentwicklung. Es fördert seit vierzehn Jahren den europaweiten Erfahrungsaustausch zwischen Städten und unterstützt sie gleichzeitig bei ihren wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Herausforderungen vor Ort. Dabei gibt es drei verschiedene Typen: In den „Aktionsplanungs-Netzwerken“, wie hier bei 2nd Chance, entwickeln die beteiligten Institutionen lokale Stadtentwicklungskonzepte für ein bestimmtes Thema.
Die Zusammenarbeit der Städte erfolgt im Rahmen von Netzwerken, an denen jeweils bis zu maximal zwölf Partner mitarbeiten. Die Stadt Chemnitz war Partnerin in der 2. Phase dieses Netzwerk-Projektes vom 3. Mai 2016 bis zum 3. Mai 2018.
Das 2nd Chance-Netzwerk beschäftigte sich mit der Wiederbelebung größerer leerstehender Gebäude, Gebäudekomplexe oder städtischer Teilräume mit vielen Gebäudeleerständen, die ihre ursprünglichen Nutzungen verloren haben, sich im Verfall befinden und in ihrem gegenwärtigen Zustand für die Stadt und den Eigentümer ein Problem oder zumindest eine Herausforderung darstellen. Als Zielobjekt wurde hierzu der Spinnereimaschinenbau an der Altchemnitzer Straße 27 ausgewählt.
Der große ehemalige Fabrikkomplex besteht aus elf 1-6 geschossigen Gebäuden aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der stadtbildprägende T-förmige Hauptbau an der Altchemnitzer Straße ist denkmalgeschützt. Seit der Schließung des Spinnereimaschinenbaus Mitte der 1990er Jahre befand sich das Gelände in einer ungeordneten städtebaulichen Entwicklung, Investitionen fanden kaum statt, nur unbedingt notwendige Reparaturen wurden durchgeführt. Zu Projektbeginn befanden sich die Gebäude teilweise in einem schlechten Zustand mit einer Leerstandsquote von etwa 60 %.
Die interdisziplinäre Chemnitzer Projektgruppe bestand aus zehn Mitgliedern, darunter Spinnwerk Geschäftsführer und Eigentümervertreter Klaus Hirsch aus Berlin, Patrick Wiederanders, Beauftragter der Stadt Chemnitz für das Gebietsmanagement Altchemnitz und Thomas Rohde, er koordiniert die Bürgerplattform im Stadtgebiet Chemnitz-Mitte. Dazu kamen weitere Vertreter aus Stadtverwaltung, Wirtschaftsförderung und von Nutzerseite. Die Leitung lag im Stadtplanungsamt bei Projekt-Koordinator Thomas Mehlhorn (Tel. 0371 488-6153, thomas.mehlhorn@stadt-chemnitz.de). Das Projekt wurde in öffentlich-privater Partnerschaft mit Spinnwerk durchgeführt.
![]() |
![]() |
Zu einem der wichtigsten Instrumente des URBACT Programmes zählt der europaweite Austausch der Netzwerkpartner. Daher besuchten drei Vertreter der Chemnitzer Projektgruppe im Sommer 2016 die Summer University in Rotterdam, in der Methoden und Handlungsweisen vermittelt wurden. Außerdem nahmen je zwei Vertreter an den thematischen bzw. trilateralen Treffen in Maribor, Porto und dem Abschlussevent in Neapel teil. Im Oktober 2016 war die Stadt Chemnitz Gastgeber des zweiten thematischen Netzwerktreffens und konnte den europäischen Partnern anschaulich das Zielobjekt Spinnereimaschinenbau und gute Praxisbeispiele wie z. B. die erfolgreiche Sanierung der schönherr.fabrik oder das Beratungsangebot der Agentur StadtWohnen Chemnitz vermitteln.

In Ergänzung zur europäischen Netzwerkarbeit wurden durch die Projektgruppe unterschiedlichste lokale Aktivitäten zur Wiederbelebung des Areals angeschoben.
So wurde im Herbst 2016 und 2017 beispielsweise das Wolkenkuckucksheim – ein Festival des Spinnerei e.V. – unterstützt. Damit konnten die öffentliche Wahrnehmung auf das Zielobjekt erhöht und ein Bewusstsein für künstlerische Freiheiten im Spinnereimaschinenbau geschaffen werden. Von März bis Mai 2017 fand ein Workshop des Kreativen Chemnitz e. V. statt, um ein gemeinsames Image für den Spinnereimaschinenbau zu finden. Außerdem wurde der Eigentümer im Frühjar 2017 aktiviert, sein Entwicklungskonzept zu überarbeiten. Darüber hinaus wurde zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit, Orientierung sowie Inwertsetzung der Gewerbeimmobilie im Winter 2018 durch das Büro Ruairí O’Brien. Architektur. Licht. Raumkunst. aus Dresden ein Lichtkonzept für den Außenbereich erstellt. Eine Lichtprobe am Abend der lokalen Abschlussveranstaltung im April 2018 zeigte, dass ein Ergänzen und In-Szene-Setzen der Eingänge und Fassaden die Attraktivität des Gebäudekomplexes deutlich steigern kann.
Neben der Auseinandersetzung mit aktuellen Möglichkeiten und zukünftigen Visionen wurde auch die Historie dieses geschichtsträchtigen Fabrikareals beleuchtet. So wurde mittels eines öffentlichen Aufrufs viel Wissenswertes zur Standort- und Unternehmensgeschichte von ehemaligen Mitarbeitern des Großbetriebes im Winter 2018 zusammengetragen. Diese Erkenntnisse dienen als Grundlage für eine spätere Ausstellung. Darüber hinaus wurde der Fabrikkomplex in die Chemnitzer Route der Industriekultur aufgenommen. Mit Fördermitteln wurde eine Informationstafel hergestellt und neben der Hauptzufahrt aufgestellt. Parallel dazu wurde die Geschichte des Spinnereimaschinenbaus anhand einer mobilen Webseite von der Stadtgeografin Katja Manz zusammen mit Mary Anne-Kockel erlebbar gemacht und mit sechs im Gelände angebrachten QR-Code-Tafeln für eigene industriekulturelle Erkundungen realisiert.
Als Zusammenfassung all dieser Aktivitäten sowie als Leitfaden für die weitere Handlungsweise der Projektbeteiligten wurde zum Projektabschluss ein lokaler Aktionsplan erarbeitet. In diesem sind Visonen und Zielstellungen für die Zukunft sowie konkrete Maßnahmeschritte für die Reaktivierung des Gebäudekomplexes dargestellt. Gleichzeitig wurden aus den Erkenntnissen des URBACT III Projektes Strategien für den allgemeine Umgang mit leerstehenden (Industrie-)Komplexen im Chemnitzer Stadtgebiet abgeleitet.
Weiterführende Informationen zu URBACT III 2nd Chance sowie den Aktivitäten der lokalen Projektgruppe finden Sie auf der europäischen URBACT Seite:
Second Chance – Waking up the Sleeping Giants
oder auf der Seite der Stadt Chemnitz unter:
URBACT III 2nd Chance – Schlafende Riesen wecken
Darüber hinaus wurden mit dem Projekt-Koordinator Thomas Mehlhorn zwei Interviews geführt, welche noch einmal vertiefend auf die Ziele, Chancen und Erwartungen sowie die Endergebnisse und Erkenntnisse des Projektes eingehen.
Lead Experte: Nils Scheffler
Lead Partner: Neapel, Italien
Weitere Partner:
• Dubrovnik, Kroatien
• Maribor, Slowenien
• Lublin, Polen
• Chemnitz, Deutschland
• Brüssel, Belgien
• Caen, Frankreich
• Liverpool, Großbritannien
• Gijon, Spanien
• Porto, Portugal
• Genua, Italien
Bildnachweis
1) Titelfoto: Spinnereimaschinenbau (Foto: Stadt Chemnitz)
2) Gebäudeplan (Spinnwerk GmbH & Co. KG)
3) Spinnereimaschinenbau (Foto: Stadt Chemnitz)
4) Netzwerktreffen Chemnitz 2016 (Foto: Kristin Schmidt)